Das Märchen und der Prinz
Die Geschichte des jungen Afghanen Habibollah Hashemi gleicht einer Tellerwäscherkarriere; ein Blick auf den Weg vom einsamen und alleingelassenen Buben in Teheran bis hin zum Gewinner der Swiss Skills.
Die Geschichte des jungen Afghanen Habibollah Hashemi gleicht einer Tellerwäscherkarriere; ein Blick auf den Weg vom einsamen und alleingelassenen Buben in Teheran bis hin zum Gewinner der Swiss Skills.
Da ist er also: Der Gewinner der Swiss Skills 2022 in der Kategorie Parkettleger: Habibollah Hashemi, Lernender aus Winterthur.
Die Reise bis zu seinem stolzen Erfolg war beschwerlich und dauerte über zehn Jahre. «2011 flüchtete ich als 11-Jähriger zu meinem Onkel nach Teheran», beginnt Habibollah Hashemi zögernd zu erzählen. Er musste rasch persisch lernen, da sein Onkel nach fünf Monaten die iranische Hauptstadt verliess. Fortan war der Junge auf sich alleine gestellt. Bis zu seinem 16. Lebensjahr arbeitete er auf Baustellen rund um Teheran.
2016 entschloss er sich, nach Europa zu fliehen – seine Reise dauerte über drei Wochen: «Zuerst ging es in die Türkei und von da aus mit 48 anderen Flüchtenden auf einem Gummiboot nach Griechenland – zum Glück überlebten alle», erinnert sich Habibollah an seinen Horrortrip. Schliesslich kam er über Deutschland in die Schweiz. «Meine Landsleute sagten immer: Du musst in die Schweiz gehen – dort ist es am sichersten und am schönsten.»
Habibollah landete ohne Papiere im Bundesasylzentrum Kreuzlingen und von da aus schliesslich in Embrach – heute lebt er in Winterthur. «Das Schwierigste war das Erlernen der Sprache: Ich besuchte eine Schule für Einwanderer und merkte rasch, dass meine eigenen Sprachfähigkeiten für eine optimale Integration entscheidend sind», erklärt der heute 20-jährige Afghane. In dieser Schule lernte Habibollah auch Meriton, einen jungen Albaner, kennen. «Er nahm mich zu meinem jetzigen Lehrbetrieb mit und stellte mich vor.» Das war der Anfang einer beeindruckenden persönlichen Entwicklung.
Habibollah Hashemi war bei der Firma Brunner Sewi angelangt – seinem heutigen Arbeitgeber und Lehrlingsbetrieb. «Wir merkten sofort, dass er über besondere Fähigkeiten verfügt. Aber wir haben ihm nach seinem erfolgreichen Praktikum gesagt, dass er zuerst die Sprache besser beherrschen muss», erinnert sich Parkett-Projektleiter Fabian Mathis. Also absolvierte Habibollah zuerst ein 10. Schuljahr – und danach eine Integrationsvorlehre (INVOL). Im August 2020 schliesslich begann Habibollah Hashemi seine Lehre als Boden-Parkettleger – im Sommer 2023 wird er sie abschliessen.
Habibollah entwickelte sich während seiner Lehrzeit rasch, lernte die Sprache immer besser, und so beschlossen seine Ausbildner, ihn für die Swiss Skills anzumelden. Dass er dort gleich in den Final kam und diesen gewann, zeigt das grosse Talent und den riesigen Willen des 20-Jährigen. «Ich war einfach topmotiviert und sah es als eine Riesenchance, da mitzumachen», erinnert er sich. Mit seinem selbst entworfenen Parkettmuster überzeugte Habibollah Hashemi die Jury. «Ich möchte an dieser Stelle auch meinem Ausbildner Fabian Mathis herzlich danken. Er hat mich während der ganzen Zeit begleitet, besprach die Ideen mit mir und stand mir stets zur Seite.»
Habibollah Hashemi ist auf dem Höhepunkt seines bisherigen Wegs angelangt. Doch für ihn ist das erst ein Zwischenschritt. «Als nächstes möchte ich nächsten Sommer meine Familie wiedersehen. Meine Mutter reiste kürzlich nach Kabul und konnte meinen Auftritt an den Swiss Skills in einem Videobeitrag sehen. Jetzt möchte ich die Freude in einer persönlichen Begegnung mit meiner ganzen Familie teilen.»
Für Fabian Mathis und seine Crew ist der Fall Habibollah eine klassische Erfolgsgeschichte. «Es hat einfach alles gepasst und es ist ein schönes Gefühl, wenn man sieht, was daraus entstehen kann.»
Mit der partnerschaftlich getragenen Integrationsvorlehre (INVOL) haben Bund, Kantone und interessierte Wirtschaftsverbände ein Programm geschaffen, mit dem Migrantinnen und Migranten gezielt auf eine berufliche Grundbildung vorbereitet werden.
Seit 2018 haben in den 18 teilnehmenden Kantonen bereits über 3'000 Geflüchtete und Zugewanderte am Pilotprogramm teilgenommen. Knapp zwei Drittel der Teilnehmenden konnten nach dem INVOL-Jahr in einer regulären Berufslehre einsteigen.
Gemäss Parlamentsbeschluss soll die INVOL ab 2024 dauerhaft weitergeführt werden. Dabei sind verschiedene Neuerungen geplant, die der INVOL vorgelagert sind. Insbesondere Personen ausserhalb des Asylbereichs sollen damit besser erreicht werden.
Zugewanderte mit Ausbildungsbedarf sollen beispielsweise bereits kurz nach Einreise auf den Einwohnerdiensten oder bei den Migrationsbehörden systematisch triagiert und bei Bedarf für eine Berufsberatung angemeldet werden. Nach einer Abklärung bei der Berufsberatung können die geeigneten Personen an einer INVOL als Vorbereitung für eine Berufslehre teilnehmen.
Weitere Informationen zum Programm finden Sie unter www.sem.admin.ch/invol