Die Kunst als Rettungsanker

Jango Mousa flüchtete vor knapp zehn Jahren vor dem syrischen Bürgerkrieg in die Schweiz. Heute wohnt er mit seiner Familie in der Nähe von Kreuzlingen. Und gestaltet im Bundesasylzentrum Kreuzlingen ein riesiges Wandbild – an dem Ort, wo er einst selbst als Flüchtling aufgenommen wurde.

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Stolz auf sein Werk: Der syrische Künstler Jango Mousa vor dem Bergpanorama.

«Die Kunst hat mich gerettet», sagt Jango Mousa: 2014 flüchtete er vor dem Krieg in Syrien in die Schweiz. Heute sagt er: «Die Kunst hat mir geholfen, das Leben zu verstehen. Und frei zu sein in dem, was ich mache.» Mousa stammt aus der multikulturellen Stadt Amuda im Nordosten Syriens. «Die ganze Region ist wie eine einzige Kulturstätte. In diesem Umfeld bin ich aufgewachsen – und das hat mich bis heute begleitet.»

Mousa ist ein Mann von Welt: Er arbeitete in Dubai, lernte russisch in Aserbeidschan, studierte einst an der Akademie der Künste in St. Petersburg und arbeitete zudem als Theaterkünstler während zehn Jahren in Russland. Nach seiner Rückkehr nach Syrien unterrichtete er Kunst an der Universität in Damaskus. In der Schweiz lancierte er auch mal eine Mal-Therapie für Kinder; und nun gestaltet er unter anderem als freier Maler die Innenmauern des BAZ Kreuzlingen.

Angefragt und beauftragt wurde er für dieses Projekt von Till Zeretzke. «Die Idee, das Zentrum und insbesondere die Mauern zu verschönern, ist nicht neu. Der Vorschlag, ein Bergpanorama der ganzen Schweiz auf die kargen Wände zu malen, stammt von Mousa», erklärt der Betreuungsleiter des BAZ Kreuzlingen. Er ergänzt: «Wir wollen damit mehr Atmosphäre und Geborgenheit schaffen.» Der sympathische und stets gut gelaunte Zeretzke hat sich zusammen mit seinen Betreuern auf die Fahne geschrieben, die Asylsuchenden während ihrer maximal 140 Tage, die sie hier verbringen, eng zu begleiten. Und ihnen eine Perspektive zu geben. Lieber eine schön bemalte, bunte Wand mit Bergpanorama als grauer Sichtbeton.

Das Gemälde wurde Ende 2022 fertiggestellt. Jango Mousa arbeitete ein halbes Jahr an seinem Bergpanorama – die Gipfel reichen von der Alpsteinkette bis zu den Walliser Alpen. Wichtig war für den ehemaligen Flüchtling, die Asylsuchenden in den Prozess miteinzubeziehen. «Ich konnte ihnen natürlich keine künstlerische Arbeit übertragen, aber sie halfen mir bei der Reinigung oder beim Abkleben.»

Die Reaktionen fielen durchwegs positiv aus. «Wir haben gute Feedbacks erhalten; die meisten Asylsuchenden sind froh um die Farbtupfer in ihrem Alltag», zieht Till Zeretzke Fazit. Für den Betreuungsleiter ist dieses Projekt eine einzige Freude. «Ich verfolgte die Entwicklung praktisch täglich und konnte deshalb auch die Fortschritte und Veränderungen miterleben.» Und wer weiss, vielleicht kann Jango Mousa eines Tages noch für mehr Abwechslung im BAZ Kreuzlingen sorgen.

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Jango Mousa erklärt, wie und wo er die noch fehlenden, typischen Tiere der Schweizer Alpen einzeichnen will.
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Mit vollem Engagement dabei: Ein halbes Jahr investierte Jango Mousa, um sein Werk fertigzustellen.
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Ein willkommener Farbtupfer: Das Bergpanorama auf der Innenmauer im BAZ Kreuzlingen.
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Hoch interessant: Jango Mousa zeigt sich fasziniert von der Schweizer Bergwelt.
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Der Ermöglicher: BAZ Kreuzlingen-Betreuungsleiter Till Zeretzke setzt sich seit Jahren für die Umsetzung des Kunstwerks ein.
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Die Kunst der Verschönerung: Till Zeretzke, der Initiator und Jango Mousa, der Malkünstler.