Der Verbindende

Als Simon Bachmann seinen Job als Floorwalker antrat, wusste er noch nicht genau, was ihn erwartete. Mittlerweile ist er nicht nur gut angekommen, sondern lebt seinen neu geschaffenen Posten mit Haut und Haaren, wie wir bei unserem Besuch im Berner Bundesasylzentrum (BAZ) im Zieglerspital unschwer feststellen konnten.

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Simon Bachmann

Sozialpädagoge, Floorwalker, Konfliktpräventionsbetreuerin: Bezeichnungen für die vom Staatssekretariat für Migration neu geschaffene Stelle gibt es viele: Sie vereint denn auch zahlreiche ambitionierte Anforderungen: Flexibilität, Sprachkenntnisse, Durchsetzungs- sowie Einfühlungsvermögen, pädagogisches Verständnis, Menschenkenntnisse, Sozialkompetenz, Kameradschaftlichkeit. Simon Bachmann hat sie alle.

Die Anforderungen

Generell geht es um die Sicherstellung der Grundversorgung, darum mehr Zeit für Gespräche zu haben und so positiv auf das Wohlbefinden der Asylsuchendenen und die Stimmung im Zentrum einzuwirken, um einen geordneten Zentrumsbetrieb zu sichern.

Bahn frei für Simon

Die Räumlichkeiten im ehemaligen Zieglerspital sind auf acht Stockwerken aufgeteilt; das BAZ belegt sämtliche Etagen. Simon begleitet uns zuerst in einen Rückzugsraum im siebten Stock und gerät ins Schwärmen, wenn er erzählt, wie er zu seinem Job gekommen ist: «Nach 17 Jahren als Sozialpädagoge suchte ich eine neue Herausforderung und bewarb mich blind. Per Zufall startete das SEM gerade das Pilotprojekt Floorwalker. Ich war sofort bereit für den Sprung ins kalte Wasser.»

8. Stock: Aufenthaltsbereich und Terrasse

Der oberste Stock des Hochhauses dient allen als Rückzugszone. Eine grosszügige Sofalandschaft, eine Terrasse und vor allem Ruhe – hier im Aufenthaltsraum treffen sich sowohl Asylsuchende als auch Betreuer, Pfleger und Floorwalkerinnen. Simon erklärt, warum ihm seine neue Aufgabe so gut gefällt: «Wir haben versucht, von Anfang an zu den Asylsuchenden eine Vertrauensbasis aufzubauen: mit vielen Gesprächen und mit einem Austausch auf Augenhöhe. Das wurde sehr geschätzt – auch von der Leitung, die uns in unseren Bemühungen bestärkte, diesen wohlwollend gegenüberstand und uns Wertschätzung entgegenbrachte.»

7. Stock: die Tabuzone

Dieser Stock ist nicht für alle zugänglich. Hier leben allein reisende Frauen sowie unbegleitete Minderjährige. «Ausserdem bieten wir transexuellen, bisexuellen und homosexuellen Menschen an, sich hier niederzulassen, weil sie oftmals von der Gemeinschaft ausgeschlossen werden», erklärt Simon. Das Stockwerk ist zwar nicht abgeschlossen, aber sowohl wir Floorwalker als auch die Mitarbeitenden von der Securitas wissen, wer sich hier bewegen darf – und wer nicht. «Das System funktioniert sehr gut – auf ungebetene Gäste trifft man hier selten.»

Familienmanagement im 6. Stock

Im sechsten Stock kommt so richtig Leben auf. Kinder springen durch den Gang, Mütter tauschen sich aus. Simon wird von einem kleinen Jungen erkannt und geherzt. Eine Mutter aus Kurdistan möchte sich dringend mit ihm austauschen. Simon spricht ein paar Brocken kurdisch mit ihr und wird von seiner kurdischstämmigen Floorwalker-Kollegin unterstützt. Für einen Moment herrscht eine ausgelassene Stimmung. Sprachen und Kommunikationsfertigkeiten sind das A und O. «Unsere Aufgabe ist es nicht nur, die Asylsuchenden abzuholen und zu begleiten, sondern auch in Gesprächen eine gegenseitige Vertrauensbasis aufzubauen », erklärt Simon. Und ergänzt: «Kürzlich durfte ich erleben, wie jemand einen positiven Asylentscheid erhielt – das ging mir sehr nahe und ich konnte mich gemeinsam mit dieser Person freuen.»

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5. Stock: Die Männerdomäne

Auch die alleinreisenden Männer haben ihr eigenes Stockwerk. Im fünften Stock ist es heute ruhig und friedlich. Eine Floorwalkerin holt einen Asylsuchenden für den Arzttermin ab. Zum ersten Mal überhaupt begegnen wir während unserer Führung auch einem Sicherheitsbeauftragten. Simon erklärt: «Mit der Securitas arbeiten wir eng zusammen, auch wenn wir eine komplett andere Arbeit abdecken. Sie kommen vor allem bei Eskalationen oder medizinischen Notfällen zum Einsatz. Am Ende sitzen wir aber beide im gleichen Boot und unterstützen einander.» Die gute Nachricht: Gerade die Eskalationen haben seit der Lancierung des Pilotprojekts Konfliktpräventionsbetreuer deutlich abgenommen (siehe nachstehende Box). «Als ich hier mit meiner Arbeit begann, kam es öfter mal zu Aggressionen, Ausrastern oder Diebstählen. Dieser akzent hat sich verschoben: Heute begleiten wir die Asylsuchenden vermehrt bei der Behandlung ihrer psychischen Probleme.»

4. und 3. Stock: Quarantäne, Isolation, Pflege und Rechtsvertretung

Der Job als Floorwalker ist einerseits geprägt von fixen Abläufen – andererseits voller Überraschungen. «Klar dokumentieren wir alles in unseren Rapporten, führen Präsenzkontrollen durch, holen die Asylsuchenden zu fixen Zeiten ab und begleiten sie beispielsweise zur Rechtsvertretung oder zu einem Arzttermin. Mehrheitlich aber bewegen wir uns in den Gängen, schenken hier ein Lächeln, da ein offenes Ohr und strahlen dabei die grösstmögliche Ruhe aus», fasst Simon Bachmann sein Jobprofil zusammen. Angst, dass ihm dabei etwas zustossen könnte, hat er nicht. «Ich wurde noch nie körperlich angegriffen oder bedroht. Darum ist die Beziehungspflege zu diesen Menschen vom ersten Tag an so wichtig – sie zahlt sich langfristig aus. Für mich, wie für die Asylsuchenden.»

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Floorwalker: Tagesabläufe und To-Do-List

  • Zwei Schichten: Frühpilot MO – FR. 6.30 – 15.00 Uhr, Spätpilot MO – FR. 13.00 – 22.00 Uhr, SA/SO im Ein-Schicht-Betrieb
  • Aufgaben: Rapportbuch führen, Info Pflege, Interviews, Präsenzkontrollen, Terminkoordination, Begleitung von Asylsuchenden zu medizinischen Terminen, Konfliktprävention und -schlichtung und vor allem Kommunikation

Die Präventionsmassnahmen des SEM

Seit dem ersten Quartal 2021 wurden vom SEM drei präventive Massnahmen umgesetzt:

  • Einsatz von Konfliktpräventionsbetreuenden, bzw. Floorwalkerinnen in den BAZ
  • Wiedereröffnung besonderes Zentrum im neuenburgischen Les Verrières für renitente Asylsuchende
  • Präsenz muslimischer Seelsorge in den BAZ