Die Überzeugerin

Omayma el Tahir hat sich dem lebenslangen Kampf gegen die Mädchenbeschneidung verschrieben. Die Sudanesin, die seit 2003 in der Schweiz lebt, ist als Multiplikatorin an allen Fronten im Einsatz: In Schulen, in Gemeinschaften, an gezielten Treffen – und seit neustem auch in den Bundesasylzentren.

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Omayma el Tahir

Selbstbewusst und stilsicher steht sie Modell für den Fotografen. Sofort merkt man; Omayma el Tahir befindet sich nicht zum ersten Mal vor einer Kamera. Sie strahlt eine Überzeugungskraft aus. Sie kennt ihre Mission; sie verfolgt sie bereits ihr ganzes Leben lang. Obwohl sie auf den Fotos nicht lacht – dafür ist die Thematik auch zu ernst – ist die Bielerin im Grundsatz eine Frohnatur. Eine, die sich niemals von ihrem Weg hat abbringen lassen.

Die Beschneidung junger Mädchen ist vielerorts ein Tabuthema – auch in der Schweiz und in Europa ist es schwierig, die betroffenen Familien mit diesem Thema zu konfrontieren und sie mit Argumenten zu überzeugen. Die Mädchenbeschneidung ist in der Schweiz seit 2012 gesetzlich verboten. Trotzdem leben hier 22 000 potenziell gefährdete oder betroffene Personen – für Omayma el Tahir ist jedes Opfer eines zu viel.

Die Kämpferin an vorderster Front wurde selber als fünfjähriges Mädchen im Sudan beschnitten. Schon als sie noch in ihrer Heimat lebte, engagierte sich el Tahir im Kampf gegen die Verstümmelung des weiblichen Körpers. Das Wichtigste aus der Sicht der Sudanesin ist die Aufklärungsarbeit: Ob hier, im Sudan, in Eritrea oder Ägypten spielt keine Rolle – Hauptsache, man spricht offen darüber. Dabei bestimmen oftmals die Grossmütter oder Tanten, ob die kleinen Mädchen beschnitten werden, weiss Omayma el Tahir. Dieser Tradition gilt es entgegenzuwirken.

Einer der wichtigsten Fakten ist: Die Mädchenbeschneidung beruht laut el Tahir nicht auf religiösem Hintergrund, sondern ist eine historische Entwicklung. Entgegen vieler Vorurteilen hat der Islam mit diesem Ritual nichts zu tun, es wird auch von Christen und anderen Religionsgemeinschaften regelmässig praktiziert.

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Omayma el Tahir kämpft seit 2006 an allen Fronten gegen die Mädchenbeschneidung. Sie organisiert Weiterbildungen und engagiert sich in Schulen - gemeinsam mit kantonalen Stellen, Anwältinnen und Anwälten und vor allem mit der Hilfsorganisation Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz (siehe Kasten). Seit neustem kooperieren Multiplikatorinnen wie El Tahir auch mit dem Staatssekretariat für Migration.

In zahlreichen Kulturen haben einzig die Männer das Sagen – doch beim Thema Mädchenbeschneidung geben die Frauen den Ton an und bestimmen über die Beschneidung ihrer Töchter. Ein grosses Problem ist, dass das Thema in den Gemeinschaften einfach unter den Tisch gekehrt wird – die Frauen reden selten mit ihren Ehemännern darüber. Vielmehr bestimmen sie, ob die Familientradition weitergeführt wird oder nicht.

Für Omayma el Tahir geht es in erster Linie darum, als Multiplikatorin in den Gemeinschaften und Familien Fuss fassen zu können. Sie klärt sie in Gesprächen am runden Tisch (ein nationales Projekt von Femmes-Tische und Männer-Tische; femmestische.ch) über ihre Rechte auf. Mit Hilfe der verschiedensten Institutionen versucht sie, Türen zu öffnen, das Thema anzuschneiden und Vertrauen zu gewinnen. Etwas vom Wichtigsten ist die Kommunikation: Gerade wenn jemand in der eigenen Sprache darüber reden kann, ist das von grosser Bedeutung. Omayma el Tahir setzt sich bewusst mit jeweils vier Frauen aus unterschiedlichen kulturellen Kreisen an einen Tisch. Weil sie sich dann eher trauen, über das Thema zu debattieren. Glücklicherweise engagieren sich im Netzwerk mittlerweile auch Männer aus Eritrea und Äthiopien gegen die Mädchenbeschneidung. Das Thema wird dadurch immer präsenter.

Zum Schluss huscht ein Lächeln über Omayma el Tahirs Gesicht – ein Lächeln der Zuversicht. Sie schreitet nimmermüde davon und verschwindet in den Gassen Biels. Aufrecht im Kampf gegen eine Ungerechtigkeit, die eigentlich nicht sein dürfte. Ein Engagement als lebenslanges Ziel.

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Omayma el Tahir wurde im Sudan geboren. Sie arbeitet im Auftrag des Netzwerks gegen Mädchenbeschneidung Schweiz als Multiplikatorin im Kampf gegen die Mädchenbeschneidung in der Schweiz – seit neustem auch in den Bundesasylzentren. Daneben arbeitet sie zu 40 Prozent als Sekretärin in Brügg bei Biel. Und schliesslich engagiert sie sich für diverse Freiwilligenprojekte wie SOS Future Maman (sosmaman.ch) und femmestische.ch. Sie ist Mutter von fünf Kindern. Ein Grossteil ihrer Familie lebt am Roten Meer in Ägypten.


Kampf gegen die weibliche Genitalbeschneidung

Seit dem Aufbau der Vermittlungsstelle im Jahr 2006 wurde die Arbeit von Caritas Schweiz bezüglich Prävention von Mädchenbeschneidung grösstenteils vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) finanziert. 2010 kam das Staatssekretariat für Migration (SEM) als neuer Partner dazu. Seit 2016 finanzieren das SEM und das BAG das Netzwerk gegen Mädchenbeschneidung Schweiz, welches 2016 gegründet und von den Organisationen Caritas Schweiz, Sexuelle Gesundheit Schweiz und dem Schweizerischen Kompetenzzentrum für Menschenrechte getragen wird. Das Ziel ist es, gefährdete Mädchen und Frauen vor weiblicher Genitalbeschneidung zu schützen und die medizinische Versorgung für die Betroffenen zu gewährleisten.

Weltweit sind Schätzungen der UNICEF zufolge mehr als 200 Millionen Mädchen und Frauen von der weiblichen Genitalverstümmelung betroffen. Man geht von jährlich drei Millionen neuen Fällen aus, meist Babys und Kleinkinder. Praktiziert wird die genitale Mädchenbeschneidung in westlichen, östlichen und nordöstlichen Regionen Afrikas, in einigen Ländern Asiens sowie im Nahen Osten.

In der Schweiz leben nach Schätzungen des Bundesamtes für Gesundheit 22 000 Frauen und Mädchen, die aus Regionen kommen, in denen Mädchenbeschneidung praktiziert wird. Sie sind entweder schon betroffen oder direkt bedroht, diesem Ritual unterzogen zu werden.

maedchenbeschneidung.ch