«Wir wussten nur: Wir müssen weiterfahren.»

Als Auditorin führt Natalie Cereghetti im Bundesasylzentrum Chiasso die Anhörungen von Asylsuchenden durch. Sie erinnert sich an die Zeit, als sich das Corona-Virus in ihrem Umfeld ausbreitete.

Bundesasylzentrum chiasso anhoerung 2

Anhörungen

«Als Mitte März der Lockdown verkündet wurde, wussten wir nur: Unsere Arbeit müssen wir trotzdem fortführen. Und uns neu organisieren. Als erstes bauten wir unsere Büroräumlichkeiten so um, so dass sich nicht mehr als drei Personen in einem Auditionsraum aufhalten konnten. Gleichzeitig mussten wir uns um die technischen Belange und Einrichtungen kümmern, damit die Anhörungen weiter rechtsstaatlich korrekt durchgeführt werden konnten.»

Rechtsstaatlichkeit

«Das Problem war, dass die Rechtsvertreter nicht mehr zu ihren Mandanten in die Anhörungssäle durften – zumindest nicht während der ersten Etappe. Die Kommunikation war sehr schwierig. Alle sprachen gleichzeitig über ein Interphone und aus verschiedenen Räumen. Die ganzen Sprachbarrieren machten es nicht einfacher …»

Routine

«Es war hektisch und wir mussten sehr flexibel agieren. Wir hatten Angst, uns anzustecken; wir mussten Asylsuchende in Quarantäne unterbringen, danach brach der gesamte Verkehr mit Italien zusammen und unsere italienischen Dolmetscher mussten zum Teil stundenlang an der Grenze warten, bis sie einreisen konnten. Nach einem Monat wurde es endlich besser und es kehrte eine gewisse Arbeitsroutine zurück.»

Reaktionen

«Die meisten Asylsuchenden kamen aus Italien. Wir waren positiv überrascht, wie kooperativ und ruhig sie sich während der Anhörungen verhielten. Sie wussten, dass wir alle in derselben Situation sind, und es gab trotz der grossen Anspannung keine Probleme.»

Nähe

«Wir Tessiner sind sehr lebhaft und stehen einander nahe. Die neuen Regeln des Bundes waren und sind immer noch hart für uns. Jede und jeder möchte so rasch wie möglich wieder zur Normalität zurückkehren. Aber wir haben gelernt, geduldig zu sein.»