Meret Stoppia-Staub: Thomas, erinnerst du dich noch an den Lockdown und seine Auswirkungen?
Thomas Weder: Aber sicher, zuerst wollten wir es nicht wahrhaben, danach wurden wir überrollt. Spätestens als sich unsere Landesregierung mit einem eindringlichen Appell an die Bevölkerung wandte, wussten wir, dass die Lage ernst ist.
TW: Was wurde damals in der SEM-Geschäftsleitung beschlossen?
MS: Wir haben sofort reagiert und schickten bereits Mitte März so viele Mitarbeitende wie möglich ins Homeoffice. Die ersten Wochen waren logischerweise ziemlich chaotisch: Regeln mussten kommuniziert und eine klare Vorgehensweise aus dem Boden gestampft werden. Wir brauchten ein Schutzkonzept und wir erstellten es ohne Vorlage und Hilfestellung von aussen.
MS: Was hat dich am meisten beeindruckt?
TW: Dass das SEM auch in der Krise gut funktionierte und die «Zweiteilung» unserer Belegschaft ziemlich reibungslos ablief. Zwischen den Mitarbeitenden, die ins Homeoffice mussten, und denjenigen, die «an der Front» alles dafür taten, damit wir unsere Dienstleistungen aufrechterhalten konnten, tat sich glücklicherweise kein Graben auf. Alle setzten sich fürs SEM ein, wo immer sie auch arbeiteten.
TW: Welches Ereignis hat dich damals am meisten berührt?
MS: Die Grenzschliessungen und wie wir anschliessend die Flut von Anfragen meisterten. Im Direktionsbereich Zuwanderung und Integration herrschte Ausnahmezustand. Es war schlicht fantastisch, wie sich die Kolleginnen und Kollegen gegenseitig unterstützten und wie unsere Leute während Wochen die dringendsten Anliegen innert nützlicher Frist beantworteten.
MS: Was ist dir besonders geblieben?
TW: Wie sich die Vertrauenskultur vertieft und bewährt hat. Die Führungskräfte sahen sich gezwungen, ihre Teams von zu Hause aus zu führen – dafür hatte es keine Hauptprobe gegeben. Das Führen auf Distanz fiel vor allem zu Beginn nicht allen leicht. Wir boten hier Unterstützung mit spezifischen Onlineführungsmodulen und Coaching. Das wurde ausserordentlich geschätzt.
TW: Welche Massnahmen hast du damals als Erstes in die Wege geleitet?
MS: In den ersten sechs bis acht Wochen waren wir vor allem mit dem Schutzkonzept beschäftigt, das wir parallel zum laufenden Betrieb hochziehen mussten. Wir beantworteten auch zahlreiche Fragen der Mitarbeitenden und berieten Führungskräfte. Weiter schalteten wir in kürzester Zeit Informationen auf dem Intranet auf, damit alle aktuellen Infos an allen SEM-Standorten verfügbar waren.
MS: Was war für dich dein Schlüsselerlebnis des Jahres?
TW: Eine Gruppenveranstaltung mit 50 SEM-Mitarbeitenden im Spätsommer im Zentrum Paul Klee. Es war beeindruckend und berührend, wie sich die Teilnehmenden getrauten, offen über ihre Ängste und Probleme im Homeoffice und in der aktuellen Pandemiesituation zu sprechen – zum Beispiel das Alleinsein oder das Arbeiten im Homeoffice mit kleinen Kindern oder pubertierenden Teenagern. Gleichzeitig war trotz aller Schwierigkeiten viel Zuversicht zu spüren.
TW: Was geschieht, wenn die Regeln wieder gelockert werden?
MS: Das wird sehr herausfordernd, weil damit viele neue Fragen auftauchen: Wer kann und wer muss zurück ins Büro? Nach welchen Kriterien wird priorisiert? Welcher Präsenzrhythmus ist gefragt? Wie bewegen wir uns neu? Unterscheiden wir zwischen geimpften und nicht geimpften Mitarbeitenden usw.? Aber wir bereiten uns schon auf die möglichen Szenarien vor. Natürlich gilt es, die Entscheide des Bundesrates und allfällige Regelungen des Eidgenössischen Personalamtes abzuwarten.
MS: Was funktioniert aus deiner Sicht gut im Homeoffice – und was weniger?
TW: Positiv ist, dass die Mitarbeitenden generell noch mehr Verantwortung übernehmen und sich fast ausnahmslos an die Spielregeln halten. Und viele zeigen ihre kreative Seite – Neues wird ausprobiert und es wird mit unterschiedlichen Formen der virtuellen Zusammenarbeit experimentiert. Schwieriger ist es, wenn Konflikte gelöst werden müssen – das geht nicht per Skype oder per E-Mail.